Kapitel-1 – Call to Arms
Neo war spät dran. Er hatte die Nachricht mit arger Verzögerung bekommen. Die Kommunikation zwischen dem Empire und Pandora war ab und an etwas träge. Die anderen EMSI-Piloten wussten schon länger Bescheid und hatten sich frühzeitig auf den Weg in das Büro nach Litom begeben. Neo war der letzte, den die Nachricht erreicht hatte. Dem zu Folge war er auch der letzte, der in Litom eintraf. Wie er der Nachricht entnommen hatte, stand eine wichtige Flotten-Operation der EMSI in Kooperation mit Verbündeten an. Dragoon Caredaan, einer der Flottenkommandeure, hatte alle EMSI-Piloten in Litom zusammengerufen.
Neo schlängelte sich hastig durch die engen und stickigen Gänge der Station, während er versuchte, den Strömen von Menschen auszuweichen, die sich ihm in den Weg schoben. Die Gallente Föderation hatte die Station bereits vor Jahren nach einem erfolglosen Versuch aufgegeben, die Regeln und Gesetze des Empire in diesen Teil der Galaxis zu tragen. Aber der Einfluss der Piraten in diesem Teil von Curse war zu stark. Überfälle auf die Händler, die das System durchflogen, waren damals an der Tagesordnung. Nur schwer bewaffnete Konvois hatten eine Chance, ihr Ziel unversehrt zu erreichen. Aber selbst das war meist ein Glücksspiel. Es dauerte nicht lange, bis der Exodus einsetzte und Firmen, die sich gerade erst frisch in der Konstellation niedergelassen hatten, verließen das System fast so schnell wieder wie sie dort ihre Zelte aufgeschlagen hatten.
Der Betrieb einer kommerziellen Station in diesem Teil von Curse war aufgrund der desolaten Sicherheitslage nicht so ertragreich, wie sich das die betreibenden Firmen ausgemalt hatten und so kam es, dass man die Station räumte und sich wieder in das Empire zurückzog. Das hatte ein paar Investoren richtig viel Geld gekostet. Schließlich baut sich solch eine Station nicht von selbst. Kurz nachdem die Gallente das System verlassen hatten, zogen die Piraten wieder in das System ein und gaben seitdem den Ton an. Sie waren das Recht und das Gesetz in Litom. Nichts geschah hier, ohne dass man bei den Angels davon wusste und es abgenickt hatte. Wer es dennoch wagte, musste die Konsequenzen tragen. Neo erinnerte sich an ein kleines Start-Up Unternehmen, welches ungefragt einen kleinen Turm an einem der Litom-Monde geankert hatte. Es dauerte keine 2 Tage, bis eine Interventions-Flotte dafür sorgte, dass der Turm mitsamt Insassen ausradiert wurde. Fliehende Piloten wurden an den Sprungtoren abgefangen und regelrecht abgeschlachtet. Die Angels waren gut darin, ein Exempel zu statuieren. Die Neuigkeit über das Massaker von Litom machte schnell die Runde und schreckte potentielle Nachahmer effektiv ab.
Litom war die Heimat von Neos Firma, genannt EMSI. Der Firmenname EMSI stand für „Eat my Shorts Inc.“ und war eigentlich ein Witz. Der Firmenname wurde von Antaiir, Arame Azur und Neo bei einem heftigen Trink-Gelage in einer Amarr Station, irgendwo tief in Judra erdacht. Eigentlich wusste keiner so ganz genau, wieso man diesen Namen gewählt hatte, aber die EMSI Piloten lachten sich immer schlapp, wenn sie sich mit „Eat my Shorts Inc.“ am Com meldeten. Offiziell war die Firma im Import & Export Geschäft, aber mit der Zeit hatte man sich auf den Schutz von Gütertransporten und der bewaffneten Eskorte von gut zahlenden Kunden ausgelegt. Ohne Geleitschutz konnte kein Frachter-Pilot sich auch nur ansatzweise in Curse bewegen. Es bedurfte immer einer bewaffneten Eskorte und Spähern, die die Route aufklärten. In diesem Segment ließ sich sehr viel Geld verdienen.
Die EMSI hatte dort ein gesichertes Einkommen und war von einer Handels-Gesellschaft schnell zu einer Sicherheits-Firma mutiert. Trotzdem war es auch lohnend, diverse Güter aus den Nullsec-Systemen in das Empire und zurück zu handeln. Die EMSI war eine vielseitige Firma, die sich immer dem Markt anpasste. Bewaffnete Eskorte für Frachter und Neureiche Spinner, die den Kick suchten, indem sie sich im Nullsec herumtrieben. Handel mit Waren, oder auch das Abwickeln von lukrativen Aufträgen durch die Agenten der diversen anderen Firmen im Empire. Selbst vor Bergbau schreckte man nicht zurück, auch wenn die EMSI Piloten den Bergbau meist dazu nutzten, um sich in ihren Bergbauschiffen gepflegt einen hinter die Binde zu giessen. Nicht nur ein mal war es vorgekommen, dass zum Beispiel Arame Azur, der CEO der Firma bei einem Gelage in seiner Barge schlichtweg im Asteroidengürtel total angeblitzt eingeschlafen war.
Noch vor ein paar Stunden war Neo noch in Pandora, dem Wurmloch einer befreundeten Allianz unterwegs gewesen. Die EMSI betrieb dort ebenfalls eine kleine Niederlassung, die sich damit beschäftigte gegen Sleeper-Drohnen vorzugehen und deren ausgeschlachtete Schiffe zu verwerten. Eine sichere Einnahmequelle und ein Refugium, wenn man es vorzog komplett vom Radar zu verschwinden. Die Wurmlöcher waren kein überwachter Raum. Wenn man in den Wurmloch-Raum verschwand, verschwand man automatisch auch aus allen Datenverbindungen und Erfassungs-Systemen. Man flog in eine komplett abgekapselte Welt mit ganz eigenen Regeln. Neo verbrachte ab und an sehr gern Zeit dort. Meist war er in Pandora, wenn er seine nachdenkliche Phase hatte. Dann zog er das allein sein vor, parkte sein Schiff am heimischen Turm und las ein gutes Buch. Er hatte sofort nach eintreffen der Nachricht von Dragoon Caredaan das nächste Wurmloch in Richtung Empire angesteuert und Pandora verlassen.
Der Klon-Sprung vom Minmatar-Raum nach Litom war den Umständen entsprechend gut verlaufen. Neo hasste Klonsprünge. Er mochte das Gefühl nicht, wenn sein Bewusstsein sich wie durch einen Ausguss aus dem einen Körper raus bewegte, um dann wie durch eine Spritze eingespritzt wieder im anderen Körper hinein floss. Es war ein Gefühl, als würde man ohnmächtig werden. Kaum war er in Litom in der Aufwachstation in seinem Sprungklon erwacht, stieg er aus dem Tank und wankte benommen in die Dusche. Neo mochte den glibbrigen Schleim nicht, der seinen Klon-Körper bedeckte. Wenn man nicht in seinem Klon steckte, musste dieser gelagert werden. Die Körper wurden in Gelpacks eingepackt und in Sarg-ähnlichen Gebilden einfgelagert. Das Duschen nach einem Klonsprung war für Neo der erste Schritt in die Normalität. Er machte Klonsprünge nur, wenn sie nicht vermeidbar waren. Heute war einer dieser Tage. Nachdenklich stand er unter der Dusche. Während das warme Wasser seinen Körper reinigte, stützte er sich an der Edelstahlwand der Dusche ab und schloss die Augen. Er tauchte in seine Erinnerungen ab. Bilder von seinem Bruder erschienen vor seinem inneren Auge. In Neo machte sich ein Schuldgefühl breit. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand einen Backstein in den Magen implantiert. Er öffnete die Augen und blinzelte, als ob er versuchen wollte das Bild seines Bruders weg zu wischen.
„Kisogo…“, seufzte Neo.
Als er fertig geduscht hatte, schlüpfte Neo in eine Schnallenhose im camoflage-Design. Dazu passende Stiefel mit Klettverschlüssen und ein graues Shirt. Über all dem trug er eine schwarze Jacke, an der ebenfalls viele Schnallen und Taschen angebracht waren. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, er würde zu den Guristas gehören. Jenem Piraten-Pack, dass sich im Caldari Raum herum trieb. Es wurde Zeit, den Spint in Litom mal neu zu bestücken. Neo war spät dran. Er öffnete die Tür von seinem Quartier und stand auf dem Andock-Ring der Station. Auf dieser Ebene dockten alle ein- und ausgehenden Schiffe. Piloten hielten sich von Haus aus gern in der Nähe ihrer Schiffe auf. Deshalb war es nur logisch, dass die Quartiere direkt in das Dock integriert wurden. Alles was kein Pilot war, lebte in den Habitat-Ebenen der Station. Die einzigen, die sich auf dieser Ebene herumtrieben waren Dock-Arbeiter, Piloten und das Gesindel, das aus irgendeinem Grund hier am Arsch der Welt angespült worden war.
Das EMSI-Büro befand sich auf Subdeck 2. Sein Weg führte ihn vom Dock zwei Decks weiter nach unten. Er arbeitete sich an diversen fliegenden Händlern vorbei, die sich an den Docks in den Gängen breit gemacht hatten. Sie hatten sich aus Schrott kleine Stände zusammen gezimmert, von denen aus sie den vorbeigehenden Menschen ihre Waren anboten. Es roch nach gebratenem Fleisch und nach jeder Menge Gewürzen. Neo konnte nicht identifizieren, was so mancher Händler anbot. Er vermutete, es handelte sich um Rattenfleisch, oder andere Parasiten, die sich frei auf der Station bewegten. Die Stationen in diesem Teil von Curse waren voll von eingeschlepptem Viehzeug, das nun in den verwinkelten Schächten der Station lebte und sich fortpflanzte.
Die Luft war stickig und in den Gängen war es sehr laut. Die Menschen, die wie Treibgut auf dieser Station am Rande vom Nirgendwo in Curse gestrandet waren, versuchten sich hier so gut es ging, durch zu schlagen. Man konnte auf diesem Deck alles Mögliche käuflich erwerben. Nahrung, Drogen, Prostituierte, oder illegal beschaffte Ausrüstungsgegenstände. Sogar Auftragskiller und Söldner. Neulich hatte ihm sogar mal jemand den toten Körper eines Piloten der Beyond Madness Allianz zum Kauf angeboten. Neo wollte gar nicht wissen, wozu die Käufer toter Körper diese wohl verwenden würden.
Die Gegend um die Docks war der schmutzigste Ort der gesamten Station. Die Gänge waren dunkel und schlecht ausgeleuchtet. Die Farbe blätterte von den Metall-beplankten Wänden. Der Boden war feucht und voller Dreck und die Luft war warm, feucht und stickig. Kein Ort an dem man unbedingt länger bleiben wollte. Alles war überfüllt. Ein paar Kinder spielten in einer Ecke mit einer großen Pappschachtel. Sie hatten schmutzige Gesichter und sahen verwahrlost aus. Neo bemerkte dass sie die Tätowierungen eines Minmatar Stammes trugen. Sie waren in braune Lumpen gehüllt und stritten sich darum, wem die alte Pappschachtel gehörte. Währenddessen versuchte an einem Verkaufsstand ein in eine Kutte gekleideter Amarr in den mittleren Jahren einem kleinen untersetzen Gallente mit Halbglatze einen überholten Schildverstärker ab zu schwatzen. Die beiden feilschten lautstark miteinander. Für Amarr gehörte Handeln irgendwie zum Pflichtprogramm, während es einen Gallente nervte, wenn jemand versuchte den Preis zu drücken. Zwischen den ganzen Ständen lungerten die ein oder andere Prostituierte, oder ein Dealer herum. Man konnte in Litom alles haben. Inklusive Geschlechtskrankheiten, oder Drogen. Wenn man an der falschen Ecke abbog, konnte einem dies auch schnell mal sein Leben kosten. Curse war gefährlich. Nichts für Weicheier. Wer sich hier herum trieb, war auf alles gefasst.
Litom war ein Schmelztiegel für den Bodensatz der Konstellation. Die Station war sehr alt und sie hatte ihre besten Zeiten schon seit langem hinter sich. Über die Jahre war sie schlecht gewartet worden und das sah man auch. Flickwerk wohin man schaute. Manche der schweren metallenen Notfall-Schotten fehlten komplett und die die es noch gab, hatte man lieblos mit einem Punktschweißgerät und alten Metallplanken geflickt. Eigentlich war es ein Wunder, dass diese Station nicht einfach dekomprimierte und ihre Atmosphäre samt dem Menschlichen Abfall, der auf ihr lebte einfach in das kalte All hinaus spie.
In Litom war man sehr weit von den gemütlichen und wohltemperierten Stationen mit Zimmerservice und Edelprostituierten im Empire entfernt. Hier trieben sich die Menschen herum, die nicht gefunden werden wollten. Gesetzeshüter wie Concord oder die Navy würde man im Umkreis dieses Systems nicht zu Gesicht bekommen. Litom liegt tief im unkontrollierten Raum der Curse-Konstellation. Nullsec, wie die Piloten es nennen. Rechtsfreier Raum. Der Teil des bekannten Universums, in dem es keine Ordnungsmacht gibt und sich jeder selbst der Nächste ist. Keine Polizei, kein Konzern und keine Navy hatten hier etwas zu melden. Die Piraten bestimmten was in Litom geht und was nicht. Sie waren das Einzige, was in diesem Teil von Curse einer Ordnungsmacht gleich kam. Wer in Litom lebte, hatte einen sehr guten Grund dafür, oder kein Geld um hier wieder weg zu kommen.
Neo war ein Typ in den vierzigern. Das heißt, sein Körper war in den Vierzigern. Sein Geist war viel älter. Wie alt er genau war, wusste Neo gar nicht mehr so genau. Seine Statur war schlank, wenn auch nicht dürr. Er maß ca. einen Meter und zweiundachtzig Zentimeter und wog um die 83 Kilogramm. Er hatte ein Faible für militärische Kleidung. Sein Gesicht war schmal. Der Haaransatz war zurückgewichen, was seine hellblauen Augen betonte. Aufgrund des zurückweichenden Haares hatte Neo sich für einen 3mm Haarschnitt entschieden. Irgendwie trauerte er seinen Haaren ein wenig nach, fand aber, dass die 3mm Frisur ihm dennoch recht gut stand. Sein Kinn umschloss ein Stoppelbart. Neos Blick war immer etwas versteinert. Schon als Kind hatte er versucht, seinem Gegenüber nicht zu viel durch seine Mimik zu verraten. So bekam er über die Jahre ungewollt eine Art Pokerface, das bewirkte, dass Neo auf jedem Foto immer aussah, als würde er für ein Fahndungsfoto posieren. Wenn er dann mal versucht, freundlich zu grinsen endete das meist in einem Foto, bei dem sich jeder der es sah unweigerlich den Bauch vor lachen hielt. Neo war nicht fotogen und er wusste das.
Wie fast alle Piloten hatte er den Körper, in welchem er geboren wurde, schon vor Jahren verloren und lebte seitdem in Klonen. Das erste mal, als Neo starb ist ihm allerdings noch gut in Erinnerung geblieben. Er war um die 20 Jahre alt gewesen und kam frisch von der Akademie. Mit dem Geld seiner Eltern hatte er sich eine gebrauchte Kestrel gekauft und wollte damit das große Geld machen. Grün hinter den Ohren und unwissend hatte er einen Transportauftrag angenommen. Die Auslieferung des Transportgutes sollte ihm satte 40 Millionen ISK einbringen. Was Neo nicht realisiert hatte war, dass er dazu ins Nullsec fliegen musste. Den Rechtsfreien Raum. Als Neo in das erste Nullsec-System eintrat signalisierte ihm Aura eine nicht ganz unbeträchtliche Flotte an Cruisern und Fregatten. Mehr konnte Aura ihm nicht mehr mitteilen. Eine Thrasher schaltete Neos Kestrel in Sekundenschnelle auf und pulverisierte das kleine Schiff in Windeseile. Er hatte versucht, in seiner Kapsel zu entkommen, was ihm aber nicht gelang. Eben die selbe Thrasher hatte ihn schon erfasst. Das letzte, an das Neo sich ab diesem Moment erinnern konnte war, der gleißende Schmerz, den er verspürte als die Artilleriegeschosse der Thrasher seine Kapsel in Fetzen rissen und dass er danach schreiend und schweißgebadet auf der medizinischen Klon-Einrichtung auf einer Station im Orbit um Kisogo, seiner Heimatwelt wach wurde. Sein erster Körper wurde nur 20 Jahre alt. Seitdem hatte Neo dutzende Klon-Körper verbraucht und hatte sich auch daran gewöhnt, auf der Klon-Einrichtung irgendeiner Station auf zu wachen. Seit diesem Tag hatte Neo nie wieder einen Transport-Auftrag angenommen und es dauerte Jahre, bis er nicht mehr schreiend in seinem neuen Körper erwachte.
Vom oberen Dockring aus erreichte Neo keuchend das Subdeck 1. Er war ein wenig aus der Puste. Ganz so sportlich wie damals war er nicht mehr. In Neos Brust brannte es. „Ich muss definitiv mehr Sport treiben“ brummelte er, während wieder wieder anfing zu laufen. Seine schweren Kampfstiefel verursachten hallende Geräusche in den Gängen. Auf diesem Deck fand man die technischen Dienstleister rund um Schiffs-Hardware. Es war voller technischer Einrichtungen und großer Hangare. Man konnte sein Schiff mit neuen Ausrüstungsgegenständen versehen, wieder aufmunitionieren, oder neue Drohnen einbauen lassen. Auch das Rigging wurde hier durchgeführt. Beim Rigging wurden den alten Schiffen neue Fähigkeiten beigebracht. Irgendwie war es ähnlich wie das Einsetzen von Implantaten oder den Hart-Verdrahtungen, wie sie die Piloten alle einsetzten, um ihre Attribute zu verbessern. Neo interessierte sich nicht sonderlich dafür. Solange die Schrauber das Zeug in sein Schiff bauten, war es ihm egal. Hauptsache es funktionierte am Ende auch. In Dutzenden Werkstätten konnte man Schäden an seinem Schiff reparieren lassen. Wenn man das notwendige Kleingeld hatte, konnte man hier quasi alles erwerben, was man an und in ein Raumschiff schrauben konnte. Subdeck 1 war nicht so verwahrlost wie das Deck um den Andockring, aber dennoch lud es nicht zum verweilen ein. Es war kalt und ungemütlich. Nur Techniker konnten sich hier so wirklich wohl fühlen. Jede menge Kampf- und Frachtschiffe waren zu sehen, die in großen Hangars umgebaut, geschlachtet oder repariert wurden. Das Aufblitzen von Schweißgeräten und Schneidbrennern aus diversen Hallen zu sehen. Hier arbeiteten die Mechaniker rund um die Uhr in drei Schichten. Egal ob man einen zusätzlichen Raketenwerfer, einen Tarnschild, oder eine Ladebucht-Erweiterung brauchte. Auf Subdeck 1 bekam man es.
Während Er durch die Gänge sprintete, erhaschte Neo einen Blick auf eine Falcon, die schwer beschädigt im Dock manövriert wurde. Sie hatte schwer was abbekommen. Es sah aus, als hätte sie Artilleriebeschuss gehabt. Eine Falcon aus einem Gefecht zu manövrieren, wenn man sich unter Feuer befand, war schon eine respektable Leistung. Wenn man bedenkt, dass dieser Schiffstyp so gut wie keinerlei Defensiv-Systeme hat. Normalerweise sah man reparaturbedürftige Falcons selten. Diese Schiffe überlebten meist einen Erstschlag nicht. Die Falcon war dafür designed, um die gegnerischen Systeme elektronisch zu stören. Sie war ein leichter Kreuzer ohne nennenswerte Waffen, oder Panzerung. Dafür strotzte das Schiff vor elektronischen Einrichtungen, die es dem Gegner schwer machten, ein Ziel auf zu schalten, oder seine Waffen zu aktivieren. Es war Falcon Piloten strengstens untersagt ihre Systeme innerhalb einer Station zu aktivieren. In der Vergangenheit war es oft passiert, dass eine gedockte Falcon mit aktiven Modulen die Lebenserhaltung diverser Decks lahmgelegt hatte. Tauchte eine Falcon im gegnerischen Feld auf, war man am Arsch, wenn man das Schiff nicht sofort aus dem Weg räumte. Ein guter Falcon Pilot war problemlos dazu in der Lage, gleich mehrere Schiffe komplett lahm zu legen. Wenn man eine Falcon in der gegnerischen Flotte hatte, hatte man ein Problem. Tauchten mehrere Falcons auf, war man richtig am Arsch. Auf der andere Seite. Wenn es einer der Gegner schaffte, die Falcon auf zu schalten, überlebte sie meist die erste Salve nicht mehr. Sie war bei den Piloten als „Papierflieger“ bekannt. Als Papierflieger bezeichneten die Piloten Schiffe, die beim ersten Streifschuss direkt auseinander fallen, weil sie keine nennenswerten Defensiv-Systeme an Bord hatten.
Neo hastete weiter. Er hatte sich für die Treppen entschieden, anstatt mit dem Lift zu fahren. Der Lift auf seinem Teil des Docks war defekt. Er hätte bis zum nächsten Lift 2 Kilometer auf der Dock-Ebene laufen müssen, um den nächsten Lift zu erreichen. In Anbetracht seiner Kondition und auch weil er eh schon viel zu spät dran war, hatte er sich dazu entschieden den Weg durch das endlose Treppenhaus der Station zu machen, was immer noch ein kürzerer Weg war, als zum nächsten Lift zu hetzen. Neo genoss trotz der Schmerzen in seiner Brust das Laufen. Es ließ ihn sich lebendig fühlen. Wenn man als Pilot die meiste Zeit in einer engen Kapsel voller glibberiger Flüssigkeit steckt, freut man sich über jeden Moment, den man außerhalb der Kapsel verbringen und sich bewegen kann, ohne an Interfaces und die Sensorik eines Schiffes angeschlossen war. Er sprintete die Treppen herunter und nahm dabei immer direkt mehrere Stufen gleichzeitig. Es erinnerte ihn an damals, als er noch als Kind auf seiner Heimatwelt Kisogo gelebt hatte. Als Sohn eines Bauern wuchs er auf einem Gutshof auf dem Land auf. Seine Familie bestellte Rübenfelder und hielt nebenbei etwas Vieh. Es war eine unbeschwerte Kindheit gewesen. Wenn Neo damals seine Großmutter besucht hatte, sprang er dort auch immer die Treppen hinauf und runter. Neo vermisste seine Kindheit. Schon lange hatte er vor gehabt, seine Heimatwelt mal wieder zu besuchen und frische Blumen auf die Gräber seiner Großeltern, seines Vaters und das Grab seines Bruders zu legen. Er hatte es nur immer wieder vor sich her geschoben. Irgendeinen Grund, den Flug nach Kisogo zu verschieben fand Neo immer. Das Schild „Subdeck 2“ riss ihn aus seinen Gedanken. Hastig sprang er die letzten Stufen hinunter und verließ das Treppenhaus in Richtung Deck.
Er war spät dran. Viel zu spät.
In Subdeck 2 angekommen, hastete er sofort Richtung Büro-Flügel. Normalerweise lief hier kein Mensch. Die wenigen Leute, die Neo bei seinem Sprint in Richtung EMSI Büro sah, schauten ihn nur kopfschüttelnd an. Anscheinend dachten sie, er habe sie nicht mehr alle. „Dragoon wird mir wieder eine Predigt halten und er wird seinen ‚Ich habe es doch gewusst‘ Blick aufsetzen, während er mir seine Predigt hält“ keuchte Neo, während er versuchte beim laufen nicht über seine eigenen Füße zu stolpern und der Länge nach hin zu fallen. Damals auf der Akademie war er ein guter Sprinter gewesen. Generell war Neo damals sehr sportlich gewesen. Doch irgendwann wurde das sekundär. Er wurde Pilot und seine Prioritäten verschoben sich. Überhaupt hatte sich sehr viel verändert und zu viele Prioritäten hatten sich verschoben. Es wurde Zeit daran etwas zu ändern. Er wusste das und er wusste auch, dass er sich seinen Problemen irgendwann einmal stellen musste. Das musste aber nun erst mal warten. Der heutige Einsatz war wichtiger. „Wie immer“ dachte Neo, wohl wissend, dass dies nur ein Vorwand war. Er sprintete weiter und hielt sich dabei mit der rechten Hand die Brust fest. Sie schmerzte stark. „Schlappe Sau“ dachte Neo, während er sich den Schweiß aus dem Gesicht wischte und weiter rannte. Dragoon würde ihm ganz sicher die Hölle heiß machen.
Dutzende Firmen hatten ihren Firmensitz in Litom angemeldet. Die meisten hatten dies aus praktischen Gründen. Die Preise in Litom sind moderat und zum Büro dazu bekommt man einen recht großen Hangar. Außerdem fragt einen hier keiner danach, welchem Geschäft man nachgeht. Was die Firmen hier wirklich machten, interessierte keinen. Die Angels stellten keine Fragen, solange man seine Rechnungen bezahlte und in der Stations-Bar keinen umlegte. Es wunderte sich auf den Docks auch keiner, wenn Schiffe brennend in der Struktur andockten. Das ging hier keinen etwas an und keiner scherte sich wirklich darum.
Eigentlich unterschied sich das Deck kaum vom Andockring. Nur waren hier kaum Menschen unterwegs und es war nicht so verdreckt. Die Gänge waren fast Menschenleer. Schwere Metalltüren säumten die Gänge. Hinter jeder Tür befand sich der Sitz einer Firma. Kleine Schilder wiesen auf die Inhaber der Büros hin. Der Bürotrakt der Station hatte den Charme aus alten Tagen, als die Gallente hier noch das sagen hatten. Die Ausstattung auf diesem Deck war schon in die Jahre gekommen und sah abgenutzt aus. Schon lange wurde hier nichts mehr instand gesetzt. Die Innenausstattung der Station zeugte noch von besseren Tagen, als Empire-Firmen mit massiven Finanzmitteln versucht hatten, diesen Bereich von Curse den Richtlinien des Empire zu unterwerfen. Auf den Gängen des Bürotraktes konnte man vereinzelt Schiffsbesatzungen sehen, die vom Büro zu ihren Schiffen unterwegs waren. Ab und an lief einem auch mal einer der Agenten der Angels über den Weg, die ab und zu auch mal lukrative Aufträge zu vergeben hatten. Neo kümmerte sich nicht um die Leute, denen er begegnete. Er hatte es sehr eilig und hastete eilig weiter.
Das EMSI Büro lag fast am Ende des Ganges 3-B im Büro-Flügel. Außer Atem kam Neo an der schweren Metalltür der EMSI an. Er stützte sich daran ab und keuchte wie ein caldarisches Rindvieh, bevor es tot um fiel. Seine Lunge brannte wie Feuer und schweißgebadet rang er nach Luft. „Ich muss dringend etwas für die Kondition tun“ hechelte er. So konnte er nicht in die Besprechung wanken. Er musste sich erst kurz verschnaufen. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet und liefen ihm in die Augen. Er war total fertig. Keuchend und japsend stützte er sich ab und versuchte sein wild pochendes Herz zur Ruhe zu bekommen.
Die Tür zur Firma war aus solidem Metall und sah sehr benutzt aus. Sie hatte definitiv ihre beste Zeit lange hinter sich. Nur ein kleines Schild an der Tür wies darauf hin, dass hier die EMSI ihren Firmensitz hatte. Der RFID Chip in Neos Hand, die er zitternd vor das Sensorfeld hielt, setzte die schwere Metalltüre in Gang. Die ächzende Hydraulik schob die schwere Tür nach rechts und gab den dunklen Eingang frei. Neo quetschte sich durch den Türspalt, ohne darauf zu warten, bis die Tür vollständig geöffnet hatte. Sofort registrierte das Türsystem sein eintreten und schloss die das Metall-Monstrum wieder hinter ihm. Eine defekte Neonlampe versuchte den Gang zu erleuchten. Es blieb jedoch nur beim flackern der Röhre, verursacht durch einen defekten Starter. Das EMSI Büro in Litom war oft nicht besetzt. Die Piloten waren immer im Einsatz. Das Büro wurde nur benutzt, wenn wirklich etwas großes anstand, dass es vorher zu bereden galt. Dies war heute der Fall.
Neo wankte noch leicht zitternd in Richtung Besprechungsraum, während er sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn wischte. Er versuchte gelassen auszusehen, was ihm aber nicht wirklich gelang. Als er durch die Tür kam, stand der Flottenkommandeur Dragoon Caredaan schon vor der versammelten Mannschaft und erläuterte die Agenda für den heutigen Abend. Der Raum war angefüllt mit Piloten der XMX, der V.CO und natürlich von EMSI. Tigerhai und ManofEve winkten ihm grinsend zu. Arame Azur rollte die Augen und Dragoon Caredaan setzte seinen ernsten, prüfenden Blick auf.
Der Besprechungsraum hatte Platz für ca. 40 Mann. Die Luft war stickig und es war warm. Die Sitzplätze waren fast alle schon belegt. Der Raum hatte einen dunkelroten Teppich. Ein Holobeamer war vorn am Kopf des Raumes angebracht. Die Piloten saßen in speckigen schwenkbaren Veloursitzen, die schon mal bessere Zeiten erlebt hatten und an alte Sessel erinnerten. Die Decke und die restlichen Wände waren aus blankem Metall. Das EMSI Büro lag im Stations-Inneren. Keine Fenster zum freien All. Stattdessen eine indirekte Beleuchtung, die versuchte eine heimelige Stimmung zu erzeugen, indem sie mit weichem Licht die Metalldecke anstrahlte.
Neo erspähte noch einen freien Sitzplatz neben Arame Azur und setzte sich in einen der freien, abgewetzten Velour-Sessel und tat so als lausche er was Dragoon zu sagen hatte. Dieser musterte Neo mit vorwurfsvollem Blick und raunte ein „Ach, der Herr Neo ist auch schon eingetroffen“. Danach wendete er den Blick grinsend wieder von ihm ab und fuhr mit seinen Ausführungen fort. „Voll verkackt, Alter. Du blechst heute Abend die Bierchen und eines kann ich Dir flüstern, Kollege. Vatti hat einen Riesen-Durst.“ kicherte Arame Azur grinsend. Neo versuchte einen schuldbewussten Blick aufzusetzen, als er sich kleinlaut für die Verspätung entschuldigte und ließ sich seufzend im Sitz hängen. „Du schuldest mir noch ein Bier von der Wette neulich“, raunte er in Arames Richtung. Sein Herz pochte schnell und er hatte das Gefühl, dass jemand eine Napalm-Granate in seiner Lunge gezündet hatte. Dazu schmerzten auch noch seine Knie, als wäre er von Pandora nach Litom gelaufen, anstatt einen Klon-Sprung zu machen. „Du siehst heute extrem scheiße aus, Neo.“ kicherte Arame leise. Neo seufte arrogant und richtete seinen Blick nach vorn zu Caredaan, der mit seinen Ausführungen fortfuhr.
Dragoon Caredaan war ein hagerer Typ mit mittellangen schwarzen Haaren. Sein Blick drang tief durch einen hindurch. Er trug meist irgendwelche Roben, die entfernt an die Uniformen alter Adelsleute erinnerten. Ein hoher Kragen umsäumte Dragoons Hals. Auf den Seiten prangten die Embleme seiner Familie. Auf den Schultern hatte er goldene Streifen und eine goldene Kordel wickelte sich um seine Schulter. Neo fragte sich oft, ob Caredaan seine Outfits bei einem Gallente-Wanderzirkus bestellte. Aber so ulkig er auch aussah, war er definitiv einer, der wusste was er tat. Neo war schon oft mit Dragoon geflogen und wusste, dass man mit diesem Kommandeur nichts falsch machen konnte. Er hatte sich schon in diversen Schlachten bewährt. Sein Job bei EMSI war kleiner als die Jobs, die er vorher bei anderen Firmen ausgeübt hatte. Dennoch schien es ihm bei EMSI sehr zu gefallen. Er war die Triebfeder, die EMSI erst in Litom ansiedelte und zeichnete sich verantwortlich für die meisten ihrer Unternehmungen dort.
Dragoon war einer von der ruhigen Sorte. Neo konnte sich nicht daran erinnern, Dragoon jemals hysterisch oder hektisch erlebt zu haben. Selbst in brenzligen Kampfsituationen blieb Caredaan immer die Ruhe selbst. Fast beschlich einen das Gefühl, dass er ab und an die eine oder andere verbotene Substanz rauchte. Neo scherzte sogar öfters, dass Dragoon heimlich auf einem caldarischen Sitzsack in seinem Büro schläft, wenn er sich unbeobachtet fühlt.
„Meine Herrschaften. Wie Sie sicherlich bereits wissen, hat sich eine fremde Firma dazu veranlasst gesehen, in diesem System einen Turm zu verankern, ohne die Bewohner des Systems zuvor um eine Genehmigung zu bitten“, erklärte Dragoon den Anwesenden Piloten mit einer Stimme, die so ruhig war, das man dabei einschlafen könnte. „Da uns die Angels in dieser Angelegenheit freie Hand lassen, haben wir uns dazu entschieden, diese Provokation nicht ungesühnt zu lassen. Wir sind heute hier um zusammen mit unseren Freunden aus der XMX und der V.CO einen koordinierten Schlag gegen die illegale Basis zu führen und die Einrichtung in den Reinforce-Modus zu bringen. Der Start der Flotten-Operation ist um 21 Uhr. Bitte munitionieren Sie Ihre Schiffe entsprechen auf und formieren Sie sich Am XMX Turm, bis Sie weitere Befehle bekommen. Noch Fragen?“. Sein Blick richtete sich fast von ganz von selbst auf Neo. Fast so als wenn er schon wüsste, dass Neo noch etwas zu fragen haben würde.
„Ich habe kein passendes Schiff in Litom, um an einem Tower-Einsatz teilzunehmen. Alles was ich vor Ort habe sind Fregatten und Cruiser. Evtl. noch ein kleiner Schlachtkreuzer. Aber leider nichts, was ich gegen einen Tower einsetzen könnte“. Sofort meldete sich Arame Azur „Ich habe eine Raven mit entsprechendem Fitting für Dich im Hangar stehen. Ich lasse das Schiff gleich auf Dich zu und dann in Deinen Hangar transportieren.“. Arame Azur war ein schlanker, drahtiger Typ mit einem leichten Bart. Er sprach einen seltsamen Dialekt, der ihn eindeutig als Einwohner einer der Welten im Osten des Empires identifizierten. Um seinen eigentlichen Heimatplaneten machte Arame aber ein Geheimnis. Arame war einer der Gründer der EMSI. Sein Bruder Antaiir hatte die Firma sechs Jahre zuvor mit Arame und Neo gegündet, nachdem es in der gemeinsamen Firma, in der alle zuor gearbeitet hatten, zu Differenzen mit der Geschäftsleitung kam. Seit dieser Zeit hatten Arame und Neo viel gemeinsam erlebt. Dragoon Caredaan war etwas später hinzu gekommen, aber zusammen bildeten die drei das Führungsgremium der Firma. Arame hatte den Ruf, gerne mal ein wenig zu tief in die Flasche zu schauen. Gleichzeitig genoss er aber auch den Ruf, einer der verwegensten Piloten zu sein, die die EMSI zu bieten hatte. Er scherte sich einen Dreck darum, wie teuer das Schiff war, welches er in die Schlacht flog. Hauptsache er teilte damit ordentlich aus. Da blieb es nicht aus, das Azur Firmen-intern die Verlustliste der teuersten Kampfschiffe anführte und das tat er mit Stolz. Er war immer das Opfer von schrägen Sprüchen gewesen, hatte sich aber mit der Zeit daran gewöhnt, derjenige zu sein, der die teuersten Schiffe regelrecht verheizte.
Den Ruf trinkfest zu sein hatten aber die anderen Piloten der EMSI auch. Nicht nur ein mal hatten die EMSI Piloten die Piloten anderer Firmen in der Stations-Bar unter den Tisch getrunken und nicht nur ein mal war es soweit gekommen, das weniger angetrunkene EMSI Piloten ihre Kollegen stützend in ihre Quartiere bringen mussten. Neo erinnerte sich grinsend daran, wie er mit Arame Azur und Dragoon Caredaan total betrunken versucht hatte, das Büro von Scotty dem Dockmanager mit einem Punktschweisser zu verpunkten und anschließend mit Toilettenpapier einzuwickeln. Die Aktion endete in einer Ausnüchterungszelle der Kalaakiota Corporation im Murini-System. In der Nacht darauf hatten die drei es dann geschafft und Scotty auf einer der Stationstoiletten einzuschweissen. Kurzfristig hatten die drei sogar erwägt, die Toilette durch eine der Schleusen ins All zu schießen. Die Techniker der Station brauchten 3 Stunden, um Scotty zu befreien. Während dieser Zeit waren die An- und Abreisen der Station so dermaßen in Mitleidenschaft gezogen worden, das von der Verkehrsbehörde CCP eine Warnmeldung mit Umleitungsempfehlung verbreitet wurde.
EMSI hatte den Ruf ein Haufen zu sein, mit dem man sich besser nicht anlegte. Die EMSI Piloten nahmen sich selbst gern mal auf die Schippe, aber wenn man der Firma ans Fell wollte, verwandelten sich diese sonst so lockeren Typen in verbissene Gegner, die auf keinen Fall aufgaben. Diese Erfahrung hatten schon ganzen Allianzen machen müssen. Nur weil EMSI eine kleine Firma war, bedeutete dies nicht, dass sie wehrlos waren. Ganz im Gegenteil.
Die EMSI Piloten verband mehr als nur die bloße Anstellung bei EMSI. Sie waren über die Jahre richtige Freunde geworden, die wussten, das sie sich aufeinander verlassen konnten. Einmal EMSI, immer EMSI. Fideliter et constanter, treu und beständig. Das war das Motto eines jeden EMSI Piloten.
„Hey Alter. Danke für die Raven. Ich werde sie im EMSI Style schrotten“, bedankte sich Neo frech grinsend für die Leihgabe bei seinem Kollegen Arame und sank erleichtert in den abgewetzten Velour-Sessel zurück, während er Dragoons Erläuterungen zur geplanten Tower-Operation lauschte. Es folgten Hologramm-Einblendungen der gegnerischen Systeme. Daten und Fakten zur Bewaffnung und zur eventuell zu erwartenden Verteidigungs-Strategie der gegnerischen Firma wurden eingeblendet. Darauf folgten taktische Schemata, für die ersten Angriffswellen der Flotte plus eventueller Rückzugs-Strategien im Falle eines Hot-Drops. Als einen Hot-Drop bezeichnete man die Situation, wenn eine feindliche Fregatte in der Nähe der Flotte ein Cynosaural-Feld öffnet und es so einer gegnerischen Black-Ops Flotte und ggfs. Großkampfschiffen ermöglicht, quasi direkt an den Ort des Geschehens zu springen. Die Gefahr eines Hot-Drop war nicht zu unterschätzen und im Gebiet um Curse auch problemlos möglich. Während er Dragoons Ausführungen lauschte, schweiften seine Gedanken wieder ab. Er dachte daran, wie schön der Sommer auf Kisogo war. Wie er mit seinem Bruder in den Wäldern gezeltet und gejagt hatte. Er vermisste seinen Bruder. Irgendwie….vermiste er Kisogo. Neo versuchte sich wieder zu konzentrieren. Auch wenn das abreissen von Towern in der Regel langweilig war, konnte man eine Intervention des Gegners nie ganz ausschliessen. Mühsam versuchte er sich aufzurappeln und die taktischen Daten in sich aufzusaugen.
Tower abzureißen war ein Job, auf den keiner wirklich scharf war. Aber als Firma konnte man es nicht einfach zulassen, dass wildfremde Leute sich einfach so mirnichts dirnichts einen Turm in dem System ankert, in dem man zuhause ist. Zu groß ist die Gefahr, dass dieser Tower als Ausgangspunkt für Angriffe auf EMSI Piloten, oder ihre Freunde genutzt wird. Da die Betreiber, wie Neo erfuhr, auch in den lokalen Kommunikationskanälen nicht gerade durch Freundlichkeit von sich reden machten, gebot es ihr Ruf, ein solches Gebaren nicht zu akzeptieren und die Leute in ihre Schranken zu verweisen. Auch wenn das hieß, das man seine Zeit dafür aufwandte, um Torpedos gegen einen Minmatar-Tower zu schleudern.
Die Besprechung war nach 30 Minuten vorüber. Dragoon hatte die Strategie des Angriffs erläutert und die Schiffsrollen zugewiesen. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Die EMSI-fremden Piloten versammelten sich in ihren Hangars, um noch mal alles zu checken, während Neo sich wieder auf den Weg zum Andockring machte, um in seinem Quartier die kurze Zeit bis zum Angriff ein wenig auszuruhen.
Als Er in sein Quartier kam, blinkte im Neocom auch schon der Handels-Dialog. Arame Azur überschrieb ihm seine Raven mitsamt Fitting. Er brauchte nur noch einzusteigen. Es war noch eine Stunde bis zum Angriff. genug Zeit, um sich noch ein wenig aufs Ohr zu hauen. Es würde ein langer Abend werden.
Er warf sich auf die speckige Liege in seinem Quartier. Sein Quartier war weitab vom Luxus, den er aus Murini kannte, entfernt. Die Wände waren ungepflegt und schienen das Licht der Deckenbeleuchtung regelrecht zu verschlucken. Der Teppich war schmutzig und bestimmt seit Monaten nicht mehr gereinigt worden. Das Sofa im Wohnbereich war kaum noch als solches zu erkennen. Alles in allem war dieses Quartier ein stinkender Abstellraum mit Neocom Schnittstelle und Duschgelegenheit. Neo stellte den Wecker auf 1 Stunde und schloss die Augen. Dann dämmerte er weg. Er träumte von seiner Heimat. Vom Bauernhof seiner Eltern. Er erinnerte sich daran, wie er zusammen mit seinem Bruder im Heu umhertollte. Wie sie zusammen Kickball gespielt hatten. Er konnte die wärmende Kisogo-Sonne auf seiner Haut regelrecht spüren und das Gras der endlosen Wiesen seines Dorfes riechen, während er langsam wegdämmerte. Es war ein schönes Gefühl. Dann schlief er ein.
Kapitel 2 – Ready to rumble
Ein infernalischer Lärm ließ ihn senkrecht nach oben schießen. Es war der Alarm. Zeit zum aufstehen. Benommen und ächzend wälzte sich Neo von der Liege und wankte in Richtung der Sanitäreinrichtung. Er hatte auf sein Kissen gesabbert. Ein Zeichen dafür, dass er sehr tief geschlafen hatte. Grunzend schippte er sich ein wenig Wasser ins Gesicht und schaute in den Spiegel. Die Jahre hatten sehr an ihm gezehrt. Sein Haaransatz war zurückgewichen und somit war seine gesamte Frisur zu einem 3mm Schnitt verkommen. Seine blauen Augen sahen müde aus. Anstatt in ein jugendliches Gesicht, schaute er in ein das Anlitz eines unrasierten 40-Jährigen mit Narben auf der Schläfe und Furchen auf der Stirn, der keine großen Erfolge aufweisen konnte, außer das ihn noch keiner endgültig umgebracht hatte.
Er sah müde aus und er war es auch. Abgekämpft durch hunderte von Schlachten, die er überlebt hatte. Sein Geist war schon weitaus älter, als sein Körper. Er hatte schon dutzende male die Kloneinrichtungen diverser Stationen in Anspruch nehmen müssen, doch seit langer Zeit war er nicht mehr in die Verlegenheit gekommen, den Körper wechseln zu müssen. Woran das lag, konnte er nicht genau sagen. Wahrscheinlich war es pures Glück. Seine Kollegen waren des öfteren in der Kloneinrichtung auf irgendeiner namenlosen Station aufgewacht. Neo mochte sein zerfurchtes Gesicht, den zurückweichenden Haaransatz und den Stoppelbart. Er zog sich aus und verstaute seine Habseligkeiten in der Quartierbox. Es war Zeit in die Kapsel zu steigen und sich ins Schiff zu begeben.
Neo hasste diese Prozedur. Splitterfasernackt in die kalte Kapsel zu steigen war das eine. Sich aber mit der ganzen Sensorik zu verbinden, empfand er als ungemütlich. Wenn sich die künstliche Intelligenz von Aura mit ihm verband, durchfuhr ihn immer ein eiskalter Schauer. Er traute der KI nicht. Es mochte daran liegen, dass sein Leben in ihrer Hand lag. Die KI war ein notwendiges Übel, um mit dem Schiff zu kommunizieren. Zwar war sein Gehirn direkt mit der Sensorik des Schiffs verbunden, dennoch benötigte er sprachliche Assistenz für komplexere Funktionen. Er stieg in die Kapsel und fröstelte. Der Kapselboden war eiskalt. Das Gel, welches ihn gleich komplett einschließen würde, würde nicht wärmer sein. Er steckte die Verbindungsstecker ein und dann wurde es dunkel. Die Kapsel schloss sich und Neo machte sich bereit für das Eindringen des kalten Verstandes von Aura in seinen eigenen Verstand. Sie übersetzte quasi in Echtzeit zwischen ihm und dem Schiff. Neo spürte wie sich die Kapsel mit Flüssigkeit füllte. „Das die nicht endlich mal etwas erfinden können, dass man sich in dieser Scheiß-Kapsel nicht den Pinösel abfriert“ dachte Neo. Das Beatmungssystem setzte sich in Gang. Noch während das Gel in die Kapsel eingefüllt wurde, bewegte sie sich ruckelnd am Transporthaken in den Bauch des Schlachtschiffes. Der Raven. Seinem Arbeitsplatz für den heutigen Abend. Neo spürte wie die Kapsel mit einem Ruck in ihre Position im Bauch der Raven verankert wurde. Die Datenströme zwischen der Kapsel und dem schiff wurden aktiviert.
„Beginne Schiffskommunikation nach Turing-Protokoll 1.0a. Bitte warten“ säuselte Auras kalte weibliche Stimme in seinem Kopf. Neo hatte sich schon immer gefragt, wieso Aura die Stimme einer Frau hatte. Sollte dies einem die Angst davor nehmen, dass man mit einer Maschine verbunden war? Er wusste es nicht. „Schiffs-Systeme zu 100% funktional. Waffensysteme einsatzbereit. Lebenserhaltung einsatzbereit“ schallte Auras Stimme in seinem Kopf. „Aktiviere Neurales Interface“ befahl Neo. Aura bestätigte und schaltete die Sensorik der Raven frei. Neos Geist war nun mit dem Netzwerk der Raven verbunden. Das Gefühl war jedes mal aufs neue einfach Atemberaubend. All die Eindrücke, die auf den Piloten eines Schiffes einprasselten, wenn er mit ihm neural verbunden war, war unbeschreiblich. Alle Sensoren lieferten ihre Informationen direkt in Neos Hirn. Er konnte die Raven regelrecht fühlen. Er spürte die Andockklammern, die das Schiff an seiner Position hielten. Er spürte die Triebwerke, die Schilde und alle Subsysteme. Er verschmolz mit den Schiffs-Systemen. Sie waren nun wie ein Teil von ihm.
Neo machte die Raven startklar. Nachdem der Dockmanager die Starterlaubnis erteilte hatte, löste sich das schwere Schlachtschiff der Raven-Klasse aus seinen Andockklammern und schwebte Richtung Abdock-Tunnel. Neo sah sein Schiff duch die Sat-Cam, einem Ballähnlichem Roboter, welcher außerhalb des Schiffes das selbige umkreiste und ihm eine Außenansicht seines Schiffes durch die Schiffs-Systeme direkt in sein Hirn übermittelte. Der Abdock-Prozess war ein Automatismus, auf den sich Neo nicht konzentrieren musste. Bis zum endgültigen abdocken wurde sein Schiff durch einen Leitstrahl gesteuert. Er konzentrierte sich derweil die Waffensysteme und Schildverstärker zu aktivieren und die richtige Munition zu laden. Der Auftrag, einen gegnerischen Tower zu entsorgen war weniger reizvoll, als man annehmen sollte. Neo schaute lieber Farbe beim trocknen zu. Es war ein langweiliger Job. Meist wehrten sich die Besitzer solcher Türme nie, was eine Kampfsituation so gut wie ausschloss.
Die Raven verließ den Dockbereich und schwebte durch das Tor in den freien Raum von Litom. Jetzt übernahm Neos Gehirn die volle Kontrolle über das Schlachtschiff. Als Pilot war das kein Problem für ihn. Über die Jahrzehnte hinweg hatte er gelernt, die Basisfunktionen des Schiffes unterbewusst zu steuern. So konnte er sich auf das konzentrieren, was am wichtigsten war. Offensiv- und Defensiv-Systeme, sowie die Lebenserhaltung und die Navigation online und somit seinen Arsch aus der Schusslinie zu halten, sofern möglich. Auras kalte Stimme leierte in einer Tour Statusmeldungen in seinen Kopf. Neo konzentrierte sich auf den Flotten-Com-Kanal. Es waren insgesamt 31 Piloten an der Operation beteiligt. Einige sprachen seine Sprache. Andere schienen aus weit entfernten Welten zu kommen. Sie sprachen einen seltsamen Dialekt, den Neo kaum verstand. Er spürte durch die Sensorik des Schiffes wie die Sonne von Litom die Außenhülle der Raven auf der einen Seite aufheizte, während die im Schatten liegende Seite regelrecht einfror. Es fühlte sich wunderbar an. Neo liebte dieses Gefühl. Er wendete die Raven und machte dann einen vollen Stopp. Neo mochte das Gefühl, welches die Sensoren ihm von der Außenwelt vermittelten. Die wärmenden Strahlen der tödlichen Litom-Sonne erleuchteten Die Hülle der Raven in Goldtönen. Er genoss den Anblick der Außenansicht auf sein Schiff. Neo beobachtete parallel dazu, wie der Rest der Flotte aus der ehemaligen Gallente Station ausgespuckt wurde. Das Autodistanz-System, welches in jedes Schiff eingebaut war, verhinderte eine Kollision mit den anderen Schiffen. Seine Raven stand in einem Pulk von Schiffen aller möglichen Rassen und wartete auf weitere Anweisungen. Sie waren fertig. Neo spürte, wie sein Körper damit begonnen hatte Adrenalin auszuschütten. Seine Sinne waren geschärft und er war bereit.
„Align XMX Tower“ kam die Order vom Flottenkommendeur und unterbrach damit den Smalltalk auf dem Flotten-Com. Alle Piloten hatten die entsprechenden Wegpunkte bereits im voraus ausgehändigt bekommen. Der sogenannte Rally-Point war der Turm einer befreundeten Firma in Litom. Die Piloten der XMX Corp, enge Geschäftspartner der EMSI, hatten ihren Turm als Sammelpunkt für die Aktion zur Verfügung gestellt. Ab sofort redete nur noch der Flottenkommandeut und die Späher. Alle anderen, inklusive Neo waren von nun ab leise. Funkdisziplin war das oberste Gebot beim Kampf.
Die Flotte richtete sich nach und nach auf ihr Ziel aus. Man konnte sehen, wie sich alle 31 Schiffe behäbig in die Richtung des Turms der XMX ausrichteten. Neo konzentrierte sich darauf, die Raven auf Kurs zu bringen. Schon lange hatte er nicht mehr in einem Schlachtschiff gesessen. Sein Job bestand meist aus dem fliegen eines Schiffes der Kreuzer oder Kampfkreuzer-Klasse. Ab und an war er aber auch in Fregatten oder Zerstörern unterwegs. Ein Schlachtschiff bewegte sich behäbig und träge. Es kostete ihn viel Geduld, das Schiff entsprechend auszurichten. Er war es nicht mehr gewohnt, so viel Masse zu bewegen. Neo fühlte sich ein wenig unwohl. Im Ernstfall wäre dies ist echtes Handicap. Würde eine gegnerische Flotte in das System springen, säße er in der Raven wie auf dem Präsentierteller. Die Raven hatte ihre Ausrichtungsposition angenommen und schwebte mit 130 Metern pro Sekunde in die Richtung des XMX Turms. Die alte Gallente Station zog links an ihm vorbei. Neo konzentrierte sich auf den Flotten-Com.
„Warp to XMX Tower“ kam das Kommando von Dragoon Caredaan. Neo gab den Tower-Code ein, der seinem Schiff den Zugang durch den Schutzschild des Turms von XMX gewähren würde und zündete das Warp-Triebwerk. Aura bestätigte mit ihrer kalten Stimme, dass der Warp-Antrieb aktiv ist. Er spürte, wie sich der Schub am heck des Schiffs aufbaute und wie die Sensoren den sich aufbauenden Warp-Tunnel registrierten. Die Raven vibrierte und ächzte beim beschleunigen. Da die Raven bereits auf ihrer maximalen Subwarp-Geschwindigkeit war, beschleunigte das behäbige Schiff umgehend in den Warp und flog auf den XMX-Tower zu. Der eigentliche Warp war nur kurz. Das schiff hatte gerade erst auf die Höchstgeschwindigkeit beschleunigt, als Aura auch schon wieder den Schub drosselte und das Schiff unter Warp brachte.
Neo fand sich im inneren des Schutzschildes des Turms wieder, als sein Schiff unter Warp fiel. Um ihn herum kamen nach und nach die anderen Piloten mit ihren Schlachtschiffen, Kampfkreuzern und Bombern am Turm an. Der Turm an sich war ein schäbiger Minmatar-Schrotthaufen, bei dessen Anblick sich Neo fragte, wie alt das Teil wohl schon war. Er war rostbraun, sah aus, als hätte er schon jede Menge mitgemacht und machte den Eindruck, als würden seine Schilde jede Minute versagen. Aber aus irgendeinem Grunde taten sie das nicht. Im Flotten-Com wurden die Piloten in die richtigen Abteilungen eingeteilt. Alles Formalitäten, die Neo schon kannte und um die er sich nicht mehr sonderlich scherte. Es war bei jeder Operation das selbe.
Er konzentrierte sich auf den bevorstehenden Einsatz. Der gegnerische Turm würde sich nicht kampflos ergeben und sich mit allem wehren, was er zu bieten hatte. Zwar hatten die Intel-Reports bestätigt, dass es sich bei dem Turm um einen nur minderwertig bewaffneten Medium Minmatar Tower handelte, aber trotzdem war er vorsichtig. Es bestand immer noch die Chance, dass die Besitzer des Towers dank eines Cynosaural Feldes eine große Flotte an den Tower springen lassen könnten und die 31 Mann Flotte dann ziemlich alt aussehen würde.
„Align Enemy Tower“ kam das Kommando von Dragoon Caredaan durch den Flotten-Com. Neo richtete die Raven aus, während er akribisch alle Waffen- und Schildsysteme kontrollierte. Das behäbige Schiff wendete nur langsam. Neo war das einfach nicht mehr gewöhnt. Er fühlte sich zunehmend unbehaglich in dem Schlachtschiff. Es war eigentlich ein 0815-Job, aber nur ein Fehler konnte daraus ein Massaker machen. Neos Raven war auf den gegnerischen Turm ausgerichtet und begann damit, auf volle Subwarp Geschwindigkeit zu beschleunigen. Er spürte, wie die Triebwerke auf volle Leistung gingen und das träge Stück Metall langsam nach vorn schoben. Er fühlte die Temperatur der Kühlsysteme, die Hitze der Triebwerke und die rot leuchtende Sonne Litoms auf der Außenhaut des Schiffes. Die gesamte Flotte begann es ihm gleich zu tun. Nach und nach richtete sich ein Schiff nach dem anderen aus und begann Fahrt aufzunehmen. Neo vergewisserte sich zum x-ten male, dass er die Explosiv-Torpedos in die Werfer geladen hatte. Alle Systeme waren bereit. Die Raven war in gutem Zustand. Wenn nicht etwas unvorhergesehenes passieren würde, würde dieser Einsatz schnell vorrüber sein.
„Fleet Warp“ kam das erlösende Kommando aus dem Fleet-Com. Dragoon hatte die Flotte per Fernbedienung am Stück in den Warp zum gegnerischen Tower in Marsch gesetzt. Neos Schiff beschleunigte wie von Geisterhand. Der Warptunnel baute sich auf und ein Schiff nach dem anderen zündete seine Warptriebwerke. Neos Raven war eine der letzten, die den Sprung ausführten. Er war hochkonzentriert. Das Adrenalin in seinen Adern sorgte dafür, dass er wachsam und konzentriert war. In wenigen Sekunden würde sein Schlachtschiff aus dem Warp fallen, sich in die entsprechende Entfernung begeben und die vom Kommandeur angegebenen Ziele unter Feuer nehmen. Er konnte es kaum noch erwarten.
Kapitel 3 – Tower Warfare
Die Flotte fiel unter Warp und war keine 30 Kilometer vom gegnerischen Turm entfernt. Kaum waren alle angekommen, kamen die ersten Kommandos zum Ausrichten und dann wurden auch schon die ersten Ziele durch gegeben. Zuerst wurden die Plattformen des Gegners unter Feuer genommen, die mit Modulen zur elektronischen Kriegsführung bestückt waren. Neo nahm das primäre und sekundäre Ziel ins Visier und aktivierte seine Torpedo-Werfer. Seine Raven war in einem optimalen Abstand, um die gegnerischen Abwehrtürme unter Feuer zu nehmen. Noch während er die gegnerischen Waffen anvisierte und ausschaltete, lauschte er den Kommandos des Kommandeurs und hielt gleichzeitig die lokalen Kommunikationskanäle im Auge. Er spürte jeden einzelnen Torpedo, die von den Werfern seiner Raven aus abgefeuert wurde und nahm das elektromagnetische Feld wahr, das den Turm in Form eines Schutzschildes umgab. Die Sensorik des Schiffs übermittelte die Signale und Neos Nervensystem nahm den Schutzschild als leichtes kribbeln an der Seite seines Körpers wahr, die dem Turm zugewandt war.
Alle Schiffe der Flotte waren dafür ausgelegt, einen gegnerischen Turm auszuschalten. Einen Kampf mit einer gegnerischen Flotte gleicher Größe würde sie sicherlich nicht ohne größere Schäden überleben. Die Chance, das eine gegnerische Flotte per Hotdrop direkt auf ihnen landen würde, war recht hoch. Zumal im lokalen Com-System noch 30 Piloten einer anderen Fraktion anwesend waren, deren Ziele keiner der Flotte kannte. Zwar hatten die Späher die fremde Flotte im Auge, das bedeutete aber nicht, dass man uns nicht schon längst mit einem getarnten Schiff aus 100 Kilometer Entfernung auch beobachten würde.
Hunderte von Torpedos, Railguns und Blastern hämmerten auf die Verteidigungsmodule des gegnerischen Turms ein. Nach und nach schaltete die Flotte ein Modul nach dem anderen aus, bis am Ende nur noch der Tower und sein Schutzschild übrig waren. Die Offensiv- und Defensivsysteme des Turms waren lahmgelegt. Nun begann die eigentliche, für Neo, so langweilige Arbeit. Der gegnerische Schild musste auf unter 25% Leistung gebracht werden, um den Turm in den sogenannten „Reinforce Modus“ zu bekommen. Im Reinforce Modus verbrennt der Turm seine Strontium-Reserven, was ihn für einen gewissen Zeitraum unangreifbar machte. Ist das Strontium aufgebraucht, geht der Turm offline und kann zerstört werden. Das war unser Plan.
„Shoot enemy Tower“ kam das Kommando durch den Fleet-Com. Neo fokussierte den gegnerischen Turm und programmierte seine Torpedos entsprechend. Dann setzte er die Werfer in Marsch. Die Raven feuerte aus allen Rohren, während sie den Abstand zum Turm immer auf 23 Kilometer hielt. Neo konzentrierte sich nicht auf das Turm-Feuer. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt nun den Meldungen der Späher, die in den Umgrenzenden Systemen nach gegnerischen Flotten Ausschau hielten. Irgendetwas stimmt nicht. Er spürte das.
Der Schild des gegnerischen Turms schmolz dahin. Wie Neo gehofft hatte, gab es keine Gegenwehr. Dem Turm dabei zuzuschauen, wie er seinen Schild verlor war in der Tat, als würde man Farbe beim trocknen zuschauen. Nach einer Stunde war es jedoch vollbracht. Der Schutzschild war auf unter 25% und der Turm demnach bis zum Ende seines Strontium-Vorrats unangreifbar. Nach einer gefühlten Ewigkeit vermeldete der Kommandeur, dass der gegnerische Tower im Reinforce-Modus ist. Der Timer stand auf 7 Stunden 54 Minuten. In knapp 8 Stunden würde die Flotte dem Turm den Rest geben und das ekelige Stück Altmetall zu klump schießen.
„Fleet Align Station“ kam das Kommando von Dragoon Caredaan. Die Flotte sollte nach getaner Arbeit erst mal andocken. Dann sollten Kampf-Verbände, die EMSI von außerhalb Curse besucht hatten, sicher aus der Konstellation eskortiert werden. „Ein Job für die Scouts“, dachte sich Neo und richtete die Raven auf die Guardian Angels Station aus. Die gesamte Flotte tat es ihm gleich. Neo freute sich, den jäh unterbrochenen Schlaf auf der Koje in seinem Quartier fortsetzen zu können und vor allem, endlich aus diesem trägen Schlachtschiff heraus zu kommen. Er hatte es satt, wie eine fliegende Zielscheibe bleiern durchs All zu trudeln. Er wollte raus. Raus aus dem Schiff, aus dem Kapsel und dann rein in dir Dusche und anschließend auf die speckige, alte Liege in seinem heruntergekommenen Quartier. Insgeheim sehnte er sich danach, zu träumen. Vielleicht sogar von seiner Heimat.
Als die Flotte ausgerichtet war, startete Dragoon Caredaan den Flotten-Warp und die gesamte Flotte beschleunigte, um anschließend direkt vor der schäbigen Gallente Station unter Warp zu fallen.
„Dock, dock“ kam das Kommando an alle Flotten-Teilnehmer. Das Kommando zum docken an der Station lies in Neo die ganze Anspannung abfallen. Bald würde er aus dem Schiff und aus dem Kapsel heraus sein, ein Quafe genießen, sich von irgendeinem Spartenkanal im TV berieseln lassen und dann selig einschlafen. Die Raven bekam die Dock-Erlaubnis und folgte dem Leitstrahl in den finsteren, rostenden Bauch der Station. Das schwere Schiff glitt behäbig durch die Dock-Tunnel der Station, bis es schlussendlich seine Parkposition erreicht hatte. Neo spürte wie sich die mächtigen Andock-Klammern um den Rumpf der Raven schlangen und zupackten. Er mochte das Gefühl nicht. Es fühlte sich für ihn an, als würde ein großer, starker Kerl ihn von hinten um den Brustkasten fassen und zudrücken. Kaum waren die Andock-Klammern verriegelt, die Waffen- und Supportsysteme heruntergefahren und die Maschinen desaktiviert, trennte Neo seine Verbindung zum Schiff und ließ sein Kapsel aus der Verankerung lösen.
Er spürte schon, wie sein Kapsel aus dem Bauch der Raven an einem Transporthaken zur Exit-Position geschwenkt wurde, als er über das Flotten-Com die Meldung bekam, dass eine gegnerische Flotte das System betreten hatte. Es handelte sich um die EMSI Kriegsgegner „Silent Infinity“. Eine Allianz, die weitaus größer als EMSI und all ihre Freunde waren. In den vergangenen Tagen hatte Arame Azur, der CEO der EMSI gegen Kampfverbände der SI Allianz zwei seiner teuren Tech-3 Kreuzer verloren. Angespornt von diesem Sieg waren die Kriegsgegner aktiv nach EMSI Piloten auf der Suche. Ein Kampfverband von ca. Zehn Piloten war in das System eingedrungen und suchte lautstark in den Kommunikationskanälen nach EMSI Piloten. Beschwingt durch die beiden Siege in der Vergangenheit, hatte man anscheinend Oberwasser, was für einige peinliche Entgleisungen in den lokalen Com-Kanälen sorgte.
Es dauerte nicht lange und Dragoon Caredaan verhängte umgehend eine Kommunikationssperre. Er forderte alle Piloten auf in der Flotte zu bleiben, bis die weitere Vorgehensweise geklärt sei. „So ein verdammter Mist“, dachte sich Neo und unterbrach den Kapseltransfer. Er musste dringend in ein Kampfschiff. Möglichst kein Schlachtschiff. Es würde sicherlich sehr nah an den Gegner heran gehen. Die Wahl fiel deswegen auf einen Minmatar Kampfkreuzer. Die Hurricane. Neo schätzte dieses Schiff seiner Schlichtheit wegen. Luxus und irgendwelchen Schnickschnack suchte man an Bord der Hurricane vergebens. Es war typisch für die Minmatar, dass sie Schiffe entwarfen, deren Design sich schlicht an der Funktionalität orientierten und die Entwickler der minmatarischen Schiffswerften durften sich dafür oft Kritik und Spott anhören. Doch trotz allem Spott waren die Minmatar Schiffe das, was man von ihnen erwartete. Fliegende Kampf-Plattformen. Egal ob man gegen eine Fregatte wie einer Wolf, einem Kreuzer wie der Thrasher, oder einem Kampfkreuzer wie der Hurricane kämpfte. Wenn man sie als Gegner hatte, hatte man ein ernstzunehmendes Problem. Es ging nichts über einen ordentlichen Satz Projektile, die aus einer soliden Autokanone abgefeuert wurden. Das einzige Problem war, dass man mit dieser Bewaffnung recht nah an sein Ziel heran musste. Neo behagte es nicht, unter 50 Kilometer an seinen Feind heran zu müssen. Als Caldari war er Distanzkämpfe gewohnt. „Kuscheln ist etwas für Minnies“, pflegte er zu sagen. Er liebte den Kampf auf Distanz. Mit einer Falcon auf 60-70 Kilometer sein Ziel wie ein Geier umkreisen und dafür sorgen, dass es weder hören, sehen, geschweige denn ein Ziel aufschalten konnte. Dennoch war die Hurricane nun das Schiff der Stunde. Es war fast logisch, dass dieser Kampf einer auf kurzer Distanz werden würde. Da hat man sein Pod besser in etwas solidem, wie einer Hurricane.
Kapitel 4 – Süße Rache
Neos Kapsel wurde in seine Hurricane umgeleitet. Es musste nun alles sehr schnell gehen. Noch während des Transfers stellte Neo sicher, dass die Hurricane aufmunitioniert und Startbereit war. Kaum war sein Kapsel in den Eingeweiden des Schiffs verschwunden und die Neuronalen Verbindungen hergestellt, fuhr Neo die Systeme des Schlachtkreuzers hoch.
Währendessen organisierte Dragoon die Operation, die von einer simplen Tower-Abriss-Aktion zu einer ernsten Kriegs-Situation geworden war. Die meisten der Piloten waren in Litom zu Gast und hatten nicht das notwendige Equipment zur Hand, um angemessen auf die Situation zu reagieren. Lediglich die Piloten der EMSI und der XMX hatten entsprechende Ausrüstung und die passenden Schiffe. Dragoon Caredaan saß mittlerweile in einer Sabre und koordinierte die Scanner-Piloten, die sich daran machten, den sicheren Punkt, an dem die gegnerische Flotte im All verweilte, auszuspähen.
Das „Undock“ Kommando wurde bereits gegeben. Neo war spät dran und erreichte die Flotte etwas verspätet. Sie stand regungslos vor der Station und lauschte dem Intel-Funkkanal, als Neos Hurricane aus dem Bauch der Station in Litom ausgespuckt wurde. Er richtete sein Schiff auf die wartende Flotte aus und ging in eine Parkposition. Während sich im Intel-Kanal abzeichnete, dass man die Gegner lokalisieren konnte, lauschte Neo dem sinnlosen Gebrabbel des gegnerischen Flotten-Kommandeurs, der sich selbst das Rufzeichen ‚Shock Fist‘ gegeben hatte. Während er seine Hasstiraden über EMSI, die XMX und die V.CO ergoss, entglitt dem Rädelsführer der feindlichen Flotte immer wieder die Stimme, was ihn ein wenig hysterisch und wahnsinnig klingen lies. Irgendwie erinnerte ihn der Redeschwall von Shock Fist an das hysterische Geschrei eines kleinen Kindes, dem man den Lutscher weggenommen hatte. Shock Fist hatte allen Grund dazu, aufgekratzt zu sein. zwar hatten seine Piloten es geschafft zwei der EMSI T3 Kreuzer zu zerstören, aber dabei hatten sie ordentlich Federn gelassen. Er redete wirr und einige seiner Kollegen taten es ihm gleich. Ein sichtliches Zeichen dafür, dass die Piloten entsprechende Drogen genommen haben mussten und ihre Nerven blank lagen. Es war sehr gut möglich, dass sie einen Fehler begehen würden, denn diese Aktion schien wieder geplant, noch durchdacht zu sein. Den Sieg hatten die Piloten von SI immer nur in Systemen davon getragen, in denen sie beheimatet waren. Dieses mal lag das Blatt aber anders. Sie waren in EMSIs Hinterhof. Hier war Neos Corp der Hausherr.
Neo war hochkonzentriert. Durch den schnellen Start, konnte er nicht vorher seine Checklisten durchgehen. Dies tat er jetzt. Er checkte die Leistungsdaten der Triebwerke, den Zustand der Schilde, die Bewaffnung. Seine Hurricane hatte Autokanonen montiert. Er müsste damit sehr nah heran gehen, um etwas zu treffen. Was sein musste, musste eben sein. Vielleicht war heute der Tag, an dem er in einem frischen Klon aufwachen würde. Jetzt schien ihn die andauernde Präsenz von Aura zu beruhigen. Ihre kalte Stimme und die Ruhe und Emotionslosigkeit , die sie damit übertrug, färbte auf ihn ab.
„Target aquired. Fleet Warp and Attack.“ kam das Kommando. Es wurde ernst. Die Flotte startete die Triebwerke und wurde ferngesteuert gewarped. Neo spürte die leichtigkeit der Hurricane mit Erleichterung. Im Gegensatz zur Raven war sie ein absolutes Leichtgewicht. Sie schwenkte in einem Bruchteil dessen in die Richtung des Ziels, als die Raven gebraucht hätte. Es ging alles ganz schnell. Neo aktivierte alle Module seines Schlachtkreuzers und stellte sicher, dass sein Orbit innerhalb der optimalen Reichweite seiner Geschütze lag. Die Hurricane begab sich ferneglenkt durch Dragoon in den Warp. Neo war beruhigt zu sehen, dass der Rest der Flotte zeitgleich mit ihm in den Warp gegangen war. So war er nicht allein als erster vor Ort und wäre damit automatisch zum primären Ziel geworden. Nur noch wenige Sekunden trennten ihn vom Gefecht mit dem Gegner. „Definitiv sehr viel besser, als Farbe beim trocknen zuzuschauen“, dachte er sich, während er durch den Warptunnel schoss. Seine Autokanonen falteten sich aus den Buchten und luden durch.
Als die Flotte unter Warp fiel, sah Neo eine Gruppe von feindlichen Schiffen in Kreuzer und Schlachtkreuzergröße, die von einem Warp-Disruptor Feld an der Flucht gehindert wurden. Dragoon Caredaan hatte das Feld generiert und wurde daraufhin auch das erste Opfer des Gefechts. Seine Sabre war nur dafür konzipiert, so schnell wie möglich ein Störfeld zu errichten, so dass die darauf folgende Flotte ihrer Arbeit nachgehen und ihren Fokus ganz darauf konzentrieren konnte zu kämpfen.
„Feuer Frei. Nehmt keine Gefangenen. Keine Gnade. Macht sie alle platt. Auch die Pods. Lasst keinen übrig.“ befahl Dragoon mit einer Haßerfüllten aber immer noch leisen Stimme. Die Piloten der Flotte warteten nur noch darauf, das der Kommandeur die primären und sekundären Ziele ausrief. Da Dragoons Sabre zerstört war, gab er das Kommando an den zweiten Kommandeur Arame Azur weiter, welcher sich sofort daran machte, den Erstschlag zu koordinieren. Da Arame zuvor zwei T3 Kreuzer an diesen Gegner verloren hatte, machte er sich fast mit sadistischer Freude an die Arbeit.
Neo aktivierte seine Geschütztürme. Die schweren Projektilkanonen fuhren hoch und signalisierten, dass sie feuerbereit waren. Aura gab den Munitionsstand durch. Alles war bereit. Er fühlte die Waffen. Sie waren wie Verlängerungen seiner Arme. Das Zielsuchsystem war wie seine Augen. Er brauchte nur das entsprechende gegnerische Ziel anzuschauen und daran zu denken, dass er darauf schießen wollte, schon nahmen die Türme das Ziel in ihren Speicher auf und rasteten automatisch auf das Ziel ein. Das gesamte Schiff war nun in Alarmzustand. Die Offensiv-Systeme waren auf 100% Leistung. Es konnte los gehen. Neo spürte, dass sein Unterkiefer zitterte. Der Adrenalinspiegel war exorbitant hoch. Sein Verstand war messerscharf.
„Primary Target Talos. Fire at the Talos. Knipst den Bastard aus.“ kam die Order durch den Flottenfunk. Neo riss die Hurricane jäh herum, schwenkte mit gezündetem Micro-Warpdrive mit Hochgeschwindigkeit in einen 10 Kilometer Orbit um sein Ziel und aktivierte die Autokanonen, welche ihren tödlichen Job begannen, während er das Microwarp-Drive wieder deaktivierte. Die mächtigen Geschütze begannen sofort mit ihrer todbringenden Arbeit. Runde um Runde schickte er seine Projektilgeschosse in Richtung des gegnerischen Schiffs, das *noch* von einem Schutzschild geschützt war. Neo spürte, wie die Hurricane sich bei jeder Salve aufbäumte. Nur die Trägheitsdämpfer hielten das Schiff auf seinem Kurs. Die Projektile hämmerten auf die Talos ein, was deren Schild schneller dahin schmelzen lies, als es die Reparaturfunktionen des Schlachtkreuzers je wieder instand setzen konnten. Sicherlich war die Talos kein Schild-Schiff, und hatte seine richtige Panzerung erst eine Schicht darunter, aber in Anbetracht dass eine Riesen Flotte auf den Schlachtkreuzer einhämmerte, war es nur eine Frage der Zeit, bis das Schiff in seine Bestandteile zerlegt werden würde. Richtig hart würde es erst werden, wenn Neo den Schild durchdrungen hatte und anfing die Panzerung direkt zu beschießen. Dann würde sich zeigen, was der gegnerische Pilot drauf hatte. Außerdem war Neos Hurricane nicht das einzige Schiff, welches die Talos unter Feuer nahm. Die gesamte Flotte hatte das Feuer auf den Schlachtkreuzer gerichtet. Der Pilot hatte keine Chance und er wusste es.
Noch während die Projektile aus seinen Autokanonen große Löcher in die Talos sprengten, bekam Neo das zweite Ziel, eine Harbinger durchgegeben. Diese wurde vom Anführer der Gegner gesteuert, welcher auch gleichzeit der Flottenkommandeur war. Shock Fist, der vorher noch wirr im öffentlichen Kanal über die EMSI Piloten gespottet hatte, war nach der Talos das nächste Ziel von Neos Autokanonen. In seinem Pod grinste Neo hämisch. Er freute sich darauf, seine Autokanonen auf die Harbinger von Shock Fist auszurichten und er würde jede Salve geniessen, die in die den Amarr Schlachtkreuzer einschlagen würde. Die gesamte Flotte war nun in die Kampfhandlungen eingetreten. Der Gegner, festgenagelt dank des Störfeldes, welches das flüchten verhinderte, trieb bleiern im All und versuchte sich so gut es eben ging zu verteidigen. Auf Neo machte es den Eindruck, als sei die gegnerische Flotte überrumpelt worden. Anscheinend schossen sie ohne Plan auf alles was sich bewegte. Der gegnerische Kommandeur hielt es anscheinend nicht für notwendig, seinen Piloten primäre und sekundäre Ziele zu nennen, um so das Feuer zu bündeln. Ein Kardinalsfehler. Mit dem Kommandeut steht und fällt eine Flotte. Selbst mannschaftlich unterlegene Flotten hatten schon Auseinadersetzungen mit weitaus größeren Verbänden gewonnen, nur weil sie den besseren Kommandeur hatten. Silent Infinity hatte mehr Piloten, aber EMSI hatte den besseren Kommandeur.
Neos Autokanonen hämmerten unentwegt auf die Talos ein, während Auras kalte Stimme unablässig den Schiffs- und Waffenstatus in sein Hirn leierte. Die Sensoren meldeten, dass der Schild der Talos gefallen war. Nun frästen sich seine Autokanonen durch die Panzerung, um dann am Ende die Hülle zu durchschlagen und das Schiff in Fetzen zu schiessen. Der Pilot der Talos würde sicherlich schon daran arbeiten, sein Kapsel raus aus dem explodierenden Schiff und in Sicherheit zu bringen. Die ersten Flammen, die aus dem Schlachtkreuzer schlugen, zeigten Neo, dass der Gegner am Ende war. Kurz darauf explodierte das Schiff in einem gleissenden Lichtblitz. Der Pilot der Talos versuchte noch in seiner Kapsel zu entkommen, aber einer der Piloten der XMX hatte wirklich sehr schnelle Zielsuch-Subroutinen. Er erfasst die Kapsel des Piloten sofort. Eine Salve reichte aus, um dem unglücklichen Piloten eine lange heimreise zu ersparen. Just in diesem Moment würde er auf irgendeiner Station in einem von ihm erworbenen Klon wach werden. Die Trümmer seines Gallente Schlachtkreuzers verglühten durch die Hitze, die seine Reaktoren bei der Explosion entwickelten.
Das erste Schiff war zerstört. Nun war es Zeit, sich um Shock Fist zu kümmern. Neo richtete seine Geschütze auf die Harbinger aus und nahm sie sofort unter Feuer. Seine Mitstreiter taten es ihm gleich. Ihre Panzerung war schnell geknackt. Die Harbinger wurde von den einschlagenden Projektilen regelrecht zerfetzt. Das Schiff hatte keine Chance. Noch während es ächzend barst, katapultierte sich der Pilot hinaus und versuchte zu entkommen. Das Störfeld machte seinen Versuch zu einer Farce. Ein Pilot, dessen Systeme darauf ausgerichtet waren, kleine Ziele schnell ins Visier zu nehmen, kümmerte sich um die Kapsel des gegnerischen Kommandeurs und zerfetzte sie mit nur einer Salve und verteilte die Einzelteile des Inhalts im luftleeren All. Egal ob man in einem Klon saß, oder nicht. Die Schmerzen des Todes spürt man immer.
Die gegnerische Flotte hatte nun keinen aktiven Flottenkommandeur mehr. Man konnte sehen, wie sich bei den gegnerischen Piloten Panik breit machte. Man versuchte mit den Subwarp Triebwerken aus dem Störfeld zu entkommen, aber das Unterfangen war chancenlos. Die Flotte in der Neo sich befand war einfach zu gut organisiert. Eine Flucht war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.
Die Koalitionstruppen aus EMSI, XMX und V.CO schalteten ein Ziel nach dem anderen auf, zerstörten es und wandten sich dem nächsten zu. Es war ein Massaker. Neos Waffentürme feuerten Salve um Salve auf die Gegner ab. Die gesamte gegnerische Flotte war ihnen ausgeliefert. Seit dem Beginn der Kampfhandlungen hörte man keine abfälligen Bemerkungen mehr über die lokalen Funk-Kanäle. Stattdessen hörte man panische Schreie, Gebete und das einschlagen von Geschossen. Manche Piloten riefen sogar nach ihren Müttern, bevor ihre Schiffe dekomprimierten. Die Gegner wanden sich noch ein mal im Todeskampf auf, aber sie hatten verloren. Ein Schiff nach dem anderen fiel der EMSI und ihren Partnern zum Opfer. Metall durchschlug Metall und dekomprimierte ein Schiff nach dem anderen. Glühende Reaktoren trieben neben den leblosen Körpern der Piloten durch das All und brennende Schiffe trieben in Fetzen geschossen gen Litom-Sonne. Nach und nach pflügte sich seine Flotte durch die gegnerischen Reihen und tötete dabei ohne Rücksicht auf Verluste. Neo musste zugeben, dass er nach den Beleidigungen der letzten Tage durch die gegnerische Fraktion mit Hochgenuss jedes Ziel aufgeschaltet und ausgeschaltet hatte. Dann wurde es still auf den öffentlichen Kanälen in Litom.
Bis auf ein paar Feiglinge, die ihre Flotte gleich zu Anfang der Kampfhandlungen im Stich gelassen hatten, um zu flüchten, hatte Neos Flotte alle Gegnerischen Schiffe und ihre Piloten in ihren Kapseln eliminiert. Innerhalb des Störfeldes trieben jede Menge Trümmer und Leichen umher. Alles in allem hatte der Kampf keine fünf Minuten gedauert. Die Gegner wurden überrumpelt und ausgelöscht. Normalerweise vertrat er ritterliche Werte und lies Gegner nach einem Gefecht die Chance, in ihrer Kapsel zu entkommen. Doch nicht dieses mal. Zu tief saß der Hass und der Wunsch, es diesem Pack heim zu zahlen. Mit Genugtuung hatte er zuvor dabei zugesehen, wie die Kapsel des gegnerischen Kommandeurs durch einschlagende Projektile zuerst in der Mitte durchlöchert, dann aufgeschlitzt wurde und wie sein lebloser Körper herausgesaugt wurde ins kalte All. „Ich hoffe der Bastard ist unter Schmerzen drauf gegangen“, dachte sich Neo, während er mit einem Grinsen im Gesicht die letzten Reste der gegnerischen Flotte unter Feuer genommen hatte.
In den öffentlichen Kanälen herrschte Schweigen. Die zuvor zu lauthals krakeelenden Piloten von Silent Infinity waren entweder tot, oder desertiert. Diejenigen, die geflüchtet waren, waren auf so leisen Sohlen unterwegs, das sie sich nicht trauten, das Kampfgeschehen per Funk irgendwie zu kommentieren. Neo genoss die Ruhe und schaute zu, wie die Flotte sich daran machte, die gegnerischen Schiffe auszuschlachten.
Seine Hurricane wurde nicht ein einziges mal unter Feuer genommen. Die Piloten von SI waren so überrumpelt, dass sie die ohne jegliche Koordination kämpften, während die Piloten aus Neos Flotte alle mit einer Struktur und einem Plan ins Gefecht gezogen waren. „Das ist eben die Kunst des Krieges und der Unterschied zwischen Männern und Jungs“, dachte sich Neo und entspannte langsam ein wenig. Der Tag war lang gewesen. Neo wollte raus aus der Kapsel, vielleicht an der Stationsbar ein paar heben gehen und sich anschließend auf der Couch ausruhen.
„Align Station“ kam dann das erlösende Kommando von Arame, nachdem das Schlachtfeld geräumt war. Neo wendete seine Hurricane und richtete sie auf seine Heimatstation aus. Ein letztes mal genoss er den Schein der Litom-Sonne auf der Außenhaut seines Schiffes. Der Tag war lang und anstrengend gewesen. Neo war zufrieden. Zuerst hatte es langweilig angefangen und ist dann doch spannend und erfolgreich zu Ende gegangen. Die Flotte richtete sich auf die alte heruntergekommene Gallente Station aus, die Neo sein Zuhause nannte. Dann startete Arame Azur den Flotten-Warp zurück. Die Anspannung fiel von ihm ab, während sein Schiff vom Leitstrahl der Station in Empfang genommen wurde und automatisch in das Dock flog. Er versank in gedanken und erinnerte sich wieder an Kisogo. Es war Zeit den lange überfälligen Besuch auf seiner Heimatwelt zu tätigen und dem offensichtlichen Gegenüber zu treten.
Es war Zeit wirklich nach Hause zu gehen…